Adventsgeschichte 4 - 24. Dezember

Gelb-orange - Die Dessauer Standardfarben der 1990er Jahre

  Mit der politischen Wende 1989/90 veränderte sich viel im Osten Deutschlands. Auch der Nahverkehr wandelte sich: Hatte man bisher Schwierigkeiten, in den Hauptverkehrszeiten alle Fahrgäste zu befördern, konnten diese sich jetzt sofort ein Auto kaufen und waren auf die Öffentlichen nicht mehr angewiesen. Außerdem war der Fuhrpark der Straßenbahn mit zweiachsigen Wagen nicht mehr zeitgemäß.

Die Straßenbahn

  Die Dessauer Verkehrs-GmbH, wie die Verkehrsbetriebe seit 4. Dezember 1990 hießen, schaute sich ab 1991 auf dem Gebrauchtwagenmarkt um. Seinerzeit bescheinigte ein Gutachten einer Münchener Beraterfirma, dass die Straßenbahn mittelfristig einzustellen ist und daher war ein Kauf von Neufahrzeugen nicht vertretbar gewesen. 1992 folgte man einem Angebot aus Duisburg, die durch die Innenstadt-Tunnel-Eröffnung ihre DÜWAG GT8 aus den 1960er Jahren nicht mehr einsetzen konnten.

  Am 6. November 1992 wurde der Wagen 1045 auf dem Betriebshof Innsbrucker Straße abgeladen. Bis zum 22. Dezember folgten 13 weitere Fahrzeuge. Die 25 Meter langen Gelenkwagen stellten eine neue Generation Straßenbahn dar und wurden demnach als 001 ff. in den Wagenpark eingereiht. Während die Wagen 001 bis 004 ihren rot-weißen Stadtbahnlack behielten (es wurden alle Wagen neu lackiert!), experimentierte man am Wagen 005 (ex 1049) mit einem gelb-orangen Anstrich. Ursprünglich nur wegen der Werbung vorgesehen, erhielten auch die Wagen 008 und 009 ein gelb-oranges Kleid, welches aber der Duisburger Anordnung entsprach.

  Alle weiteren Wagen (006, 010-014) erhielten wiederrum den Stadtbahnlack, die 007 eine orange-weiße Version. Im Jahre 1997 entgleiste der Wagen 008 und stieß gegen einen Fahrleitungsmast. Eine Wiederherstellung des Wagens unterblieb und er wurde im selben Jahr nach Entnahme von Ersatzteilen verschrottet. An einem anderen Mast verunfallte ein Jahr später die 005. Dieser wurde wieder repariert, aber gleichzeitig mit einem blauen Grundlack versehen, um Werbung für MainMetall zu erhalten. Lediglich die 009 blieb bis zur Ausmusterung in gelb-orange erhalten. Mit Anlieferung der Niederflurwagen wurden im Sommer 2002 die unmodernisierten GT8 abgestellt. Ab Juli wurden die Fahrzeuge 002, 004, 009 und 010 auf dem Betriebshof verschrottet. Damit endete die Ära der gelb-orangenen Straßenbahnfahrzeuge in Dessau.

Der Omnibus

  Die relativ jungen Ikarus-Busse aus ungarischer Produktion waren ebenso nach der Wende nicht mehr "zeitgemäß". Die DVG erhielt daher bereits 1990 Gebrauchtwagen der MAN SL 200 und SÜ 240 aus Ludwigshafen und Siegen. Die Fahrzeuge waren zumeist mindestens genauso alt oder sogar älter als die jüngsten Ikarus-Busse. Erst ab 1992 erhielt man durch Fördermittel Neufahrzeuge, ebenfalls von MAN. Die SL 202 wurden in einer neuen Lackierung geliefert: gelb-orange, angelehnt an die DÜWAG-Straßenbahnen. Einige der eingangs erwähnten Gebrauchtwagen wurden in das neue Farbschema umlackiert. Insgesamt 38 Neufahrzeuge, ab 1994 auch EL 202 und NL 202, erreichten die Stadt an Elbe und Mulde. Der letzte Niederflurbus der 1. Generation, der Wagen 134 wurde 1996 ausgeliefert und am 1. November polizeilich zugelassen. Er war auch der einzige NL 222 im Fuhrpark.

  Ab 1994 erfolgte die Ausmusterung der Gebrauchtfahrzeuge. In Dessau verblieben die 118, die immernoch im gelb-orangenen Kleid als Mobile Jugendverkehrsschule bei der Straßenverkehrswacht im Einsatz ist. Und die 181, zuletzt als Infobus genutzt, ist seit vielen Jahren im hellgrünen Lack als Spielmobil in Nutzung.

  Bereits die 1996 gekauften MAN Midi-Busse wurden in weißer Grundlackierung geliefert. Man wollte für Werbekunden attraktiver sein. Alle nachfolgenden Neufahrzeuge, der Mercedes Sprinter-Reisebus, die MAN Erdgasfahrzeuge und die Mercedes Sprinter City wurden im neutralen weiß lackiert.

  Mit Inbetriebnahme der 20 Erdgasbusse ab 2001 verschwanden die gelb-orangenen MAN nach und nach aus dem Stadtbild. Zuerst natürlich die ältesten und damit auch die Hochflurbusse. Lediglich ein Teil der NL-Flotte verblieb vorerst für Reserve- und Schülerdienste erhalten. Der Bestand reduzierte sich bis 2004 auf drei Fahrzeuge (134, 173, 175), welche aber weiterhin als Schulbus und auf Zusatzkursen/Verstärker zum Einsatz kamen. Ein kurzes Comeback gab es im Juni 2013, als während des Hochwassers die Muldbrücke gesperrt wurde und die 134 anfangs allein den Verkehr auf den gekappten Linien 13, 14 und 15 in die östlichen Vororte bestritt. Fallweise wurden auch die anderen beiden Dieselbusse eingesetzt. Der Grund ist recht simpel: Die Erdgasbusse hätten nicht betankt werden können bzw. hätte ein umständlicher Umweg über die Autobahn genommen werden müssen.

  Als sich die neueste MAN-Erdgas-Fahrzeugflotte der DVG im Herbst 2014 ankündigte, kam alles ziemlich schnell: Die seit Juni 2014 abgestellte 134 und die noch spärlich fahrenden 173 und 175 wurden im Oktober an einen Zwischenhändler in Schwemmsal verkauft. So endete nach 22 Jahren die gelb-orange Lack-Ära im Dessauer Nahverkehr.

Fahrzeugliste der gelb-orangenen Fahrzeuge

NummerBaujahr, TypBemerkungen, letzter bekannter VerbleibFoto
DÜWAG-Straßenbahnen
  0051964, GT81992 ex Duisburg 1049, 1998 nach Unfall Neulack in blau, 2004 Party-/Arbeitswagen, 2007 verschrottet
  0081964, GT81992 ex Duisburg 1053, 1997 nach Unfall verschrottet
  0091964, GT81992 ex Duisburg 1054, 07/2002 verschrottet
MAN Stadtbusse
  1181979, SL 2001990 ex Ludwigshafen 543, 1996 an Verkehrswacht Dessau
  1461979, SL 2001990 ex Ludwigshafen 540, 1994 ausgesondert
  1201992, SL 2021999 verkauft, Busfirma in Sarasota (Florida, USA)
  1231992, SL 2021999 verkauft
  1251992, SL 2021999 verkauft
  1261992, SL 2021999 verkauft
  1331992, SL 2022001 verkauft
  1361992, SL 2022001 verkauft
  1421992, SL 2022001 verkauft
  1441992, SL 2022001 verkauft, bis 2005 bei Erdmanns Reisedienst GmbH (Rathenow)
  1481992, SL 2022001 verkauft
  1511992, SL 2022001 verkauft
  1521992, SL 2022001 verkauft, zuletzt bei Reifer Reisen (Warburg)
  1561992, SL 2022001 verkauft
  1571992, SL 2022001 verkauft
  16519??, SL 2021992 ex Ludwigshafen, 2001 ausgesondert
  1681992, SL 2022001 verkauft
  1701992, SL 2022001 verkauft, bis 2006 bei Verkehrsbetrieb Rhein-Westerwald GmbH
  1721992, SL 2022001 verkauft
  1771992, SL 202nach Kennzeichenverlust neue Nr. 178, 2001 verkauft
  1791992, SL 2022001 verkauft
  1801992, SL 2022001 verkauft
  1541994, EL 2022001 verkauft
  2631994, EL 2021999 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  2641994, EL 2021999 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  2691994, EL 2021999 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  2701994, EL 2021999 verkauft, seit 2001 bei Hülser Reisen (Voerde)
  2711994, EL 2021999 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  1211994, NL 2022004 verkauft, bis 2015 bei Omnibus Oster (Weißenhorn)
  1221994, NL 2022004 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  1241993, NL 202erster Niederflurbus, 1997 verkauft
  1271994, NL 2022004 verkauft, bis 2015 bei Omnibus Oster (Weißenhorn)
  1291994, NL 2022004 verkauft, zuletzt bei Hülser Reisen (Voerde)
  1321994, NL 2022004 verkauft
  1351994, NL 2022004 verkauft
  1371994, NL 2022004 verkauft, bis 2015 bei Omnibus Oster (Weißenhorn)
  1731995, NL 20210/2014 verkauft
  1741995, NL 2022004 verkauft
  1751995, NL 20210/2014 verkauft
  1341996, NL 22206/2014 abgestellt, 10/2014 verkauft




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  Download OMSI-Repaint (ZIP-Datei)
Das Repaint ist für die Fahrzeuge des Typs MAN NL 202 nutzbar.


Einige gelb-orangene Duisburger sind in Dessau rot-weiß geworden


Die Eigenkreation an der 005 glich am ehesten dem Lack der MAN-Busse


Stadtfarben einträchtig hintereinander: GT8 009 und ein MAN SL 202


Wenige junge Ikarus-Busse wurden in das neue Farbschema umlackiert


Einziger noch erhaltener ehemals Ludwigshafener in gelb-orange ist ex-118, heute als Jugendverkehrsschule unterwegs oder wie hier zum Karnevalsumzug


Ganze 22 Jahre prägten die gelb-orangenen MAN das Stadtbild


Die letzten Jahre verdienten sich die NL 202/222 ihr Gnadenbrot auf Schüler-Verstärkerfahrten


Ein kleines Comeback gab es zum Hochwasser im Juni 2013, als 134 zwischen den östlichen Vororten und der Muldbrücke pendelte


Das Innenleben der 134: Hier treffen zwei Generationen von Dessauer Sitzpolstern aufeinander